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Design zum Anfassen

Bis hierher und nicht weiter. – Das Gefühl. plötzlich vor unüberwindbaren Hindernissen zu stehen, kennen wir alle in der einen oder anderen Form. Wer rundum fit und gesund ist, erlebt das vielleicht eher selten. Diejenigen, die wie ich manchmal ein bisschen sensibel und ängstlich sind oder sich noch an ihr letztes Gipsbein erinnern können, wissen aber bestimmt, wie banal und gleichzeitig fies psychische oder physische Barrieren sein können. Ganz besonders betroffen sind natürlich Menschen, die unter dauerhaften Behinderungen leiden oder sich im Alter einfach nicht mehr so gut bewegen können. Mit einer simplen Idee und schickem Design hilft das Leipziger Startup Mormor ihnen, kleine alltägliche Grenzen zu überwinden und an Lebensqualität zu gewinnen. Inzwischen wurden Jonathan Geffen, Kirstin Overbeck und ihre Kollegen nicht nur mit dem German Design Award, dem Red Dot Design Award und dem Sächsischen Staatspreis für Design ausgezeichnet, sondern dürfen sich auch ganz offiziell „Startup des Jahres 2017“ nennen. Ich freue mich riesig, dass sich die zwei trotz vieler Termine Zeit genommen haben, um mit mir und ihrem Tisch mit Handlauf das Dach der Höfe am Brühl zu erklimmen.

Kirstin und Jonathan, die Möbel, die es von Mormor gerade im STARTER SPACE in den Höfen am Brühl zu bestaunen gibt, sehen auf jeden Fall ziemlich chic aus. Doch was macht sie tatsächlich so besonders?

K: Wir haben zum ersten Mal Möbel mit Handläufen kombiniert. Das sieht man wirklich erst auf den zweiten Blick, weil das sehr unauffällig integriert ist. Unsere Zielsetzung war eine Gestaltung, die nicht stigmatisierend ist – die körperlich eingeschränkten Menschen hilft, aber keinen Sanitätshaus-Charme versprüht.

Wer ist denn dann eure Zielgruppe – eher Privatleute oder auch Einrichtungen?

J: Grundsätzlich alle Menschen, die irgendeine Einschränkung haben, die zum Beispiel im eigenen Haus länger wohnen bleiben möchten. Aber auch Einrichtungen, die ihren Bewohnern einen Mehrwert bieten wollen.

Wie funktionieren eure Handläufe im praktischen Alltag? In welchen Situationen sind sie besonders hilfreich?

K: Der Handlauf am Tisch dient grundsätzlich als Aufstehhilfe. Das heißt, man kann sich zusätzlich abstützen. Er hilft auch, sich hinzusetzen und nicht in den Stuhl hineinzufallen. Gleichzeitig sorgt er für sicheren Halt, wenn ich den Tisch mit Geschirr eindecke oder wenn ich mich durch den Raum bewege – dann kann ich mich hier zusätzlich festhalten.

Auf einem Flyer von euch habe ich gesehen, dass man am Handlauf auch sportliche Übungen machen kann. Wären Startups, die mit euren Möbeln ihr Büro aufpeppen wollen, da nicht eine weitere potentielle Zielgruppe?

K: Grundsätzlich nennen wir unsere Möbel gern Aktivmöbel, weil sie helfen, die Muskulatur zu erhalten. Und natürlich bringt der Handlauf auch sportlich aktiven Leuten etwas…

J: …zum Beispiel für Liegestütze oder Klimmzüge. Gerade im Rehabereich – wenn man nur eine bestimmte Zeit eingeschränkt ist, kann man diese Möbel auch nutzen, um durch mehr Bewegung wieder zurück ins normale Leben zu finden.

Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen? Sind Behinderung und Inklusion Themen, zu denen ihr auch persönliche Bezugspunkte habt?

K: Die Grundidee ist bei uns schon im Studium bei einem Projekt entstanden, in dem wir Produktideen für den demografischen Wandel gestalten sollten. In diesem Rahmen waren wir in vielen Einrichtungen unterwegs. Aber auch durch die Beobachtung meiner eigenen Großmutter konnte ich feststellen, dass man sich, je älter man wird, an Möbeln entlanghangelt und dass ein Sturzrisiko im Alter ein großer Faktor ist, den es zu eliminieren gilt. Dadurch entstand die Idee, Handläufe auch in den Wohnraum zu bringen.

Ihr habt eure Möbel bestimmt schon bei eurer Zielgruppe getestet. Wie sahen denn die Reaktionen aus?

J: Also, erst einmal ist es natürlich ungewohnt, einen Handlauf um die Tischplatte herum zu haben. Da verstehen wir auch, dass das zunächst mit Vorsicht genossen wird. Aber letzten Endes finden die meisten daran großen Gefallen, weil der Mehrwert doch deutlich überwiegt. Es ist eben ein einfacher Griff, der im Alltag viel Mühe ersparen kann. Es fühlt sich gut an, zu beobachten, wie Heimbewohner sich daran erfreuen und unsere Möbel genau so nutzen, wie wir es vorgesehen haben.

Anfassen und Ausprobieren ist bei den Möbeln von Mormor übrigens explizit erlaubt. Also, nehmt eure Omis und Opis unbedingt mal mit, wenn ihr demnächst im STARTER SPACE in den Höfen am Brühl vorbeischaut.

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aschwerin

3 Kommentare

  1. Sara

    Klimmzüge am Tisch? Muss man das Ding dann jedes mal hochkant wuchten? Wie klein muss die Person sein, die sich daran hochziehen soll oder hat der Tisch eine Länge von 1,80m? Genauso Liegestütze.. bitte wie?
    Die Lücke zwischen Tisch und Handlauf ist auch nicht optimal. Wenn dann die kleinen Enkel zu Besuch sind, die kommen dann ja gar nicht mehr richtig ran an die Sachen auf dem Tisch oder kleckern daneben. Und als „grundsätzliche Aufstehhilfe“ kann ic hmich auch am Tisch selbst abstützen.

    • Jonathan

      Liebe Sara,
      danke für deinen wertvollen Kommentar. Ich bin Jonathan, einer der vier Gründer von Mormor. Der Tisch ist tatsächlich nicht nur sehr stabil, sondern auch kippsicher konstruiert.

      Liegestütze machen wir so: Man stützt sich mit beiden Händen auf den Handlauf, streckt den Körper und bildet einen 90 Grad Winkel zwischen Armen und Körper. Durch den größeren Winkel zwischen Körper und Boden im Vergleich zum normalen Liegestütz, ist es einfacher für eingeschränkte Menschen diese Übung durchzuführen. Für eine schwierigere Variante, kann man den Stütz dann noch mit einem sog. „Push-Off“ verbinden. Hier ist das Ziel, den Stütz schnell durchzuführen, sodass man den Körper vom Tisch wegdrückt und die Hände loslassen kann.

      Klimmzüge funktionieren folgendermaßen: man nutzt den Tisch um sog. „Australische Klimmzüge“ zu machen. Man legt sich am besten eine Yoga Matte unter den Tisch, legt sich mit dem Rücken darauf, sodass die Schultern genau unter dem Handlauf liegen. Nun greift man den Handlauf mit beiden Händen und streckt den Körper, die Füße bleiben am Boden. Nun zieht man sich hoch. Diese Variante der Klimmzüge ist auch vereinfacht im Gegensatz zum Original. Denn dabei muss man nicht sein gesamtes Körpergewicht hochziehen.

      Du hast Recht, für kleine Kinder ist die Lücke eine kleine Herausforderung. Wir arbeiten zur Zeit an Adaptionen, wie einer einsteckbaren Erweiterung der Tischplatte. Das wird nicht nur Kindern helfen, sondern auch eingeschränkten Menschen, die Schwierigkeiten beim Essen haben.

      Wenn du dich auf deinen Tisch stützen kannst, hast du schon einen tollen Tisch! Leider stürzen aber viele Menschen täglich einfach nur dadurch, dass sie sich auf etwas abstützen wollen, das nicht dafür vorgesehen ist. Wir stellen mit diesem Tisch eine Sicherheit – die sogar vom TÜV in der höchsten Prüfstufe der DIN EN 15372:2017-02 (Möbel – Festigkeit, Dauerhaltbarkeit und Sicherheit) zertifiziert wurde. Ein Aufstützen ist also bei unserem Tisch nicht nur kein Problem, sondern erwiesen verlässlich.

      Wenn du weitere Bedenken hast, oder Fragen und Feedback für unser Team hast, sind wir dir dankbar und freuen uns über deine Mail an office@mormor.de!

  2. Küchenrückwand

    Finde ich eine tolle Sache, die Menschen sind für neue Dinge offen und das ist auch gut so. Denke das der Tisch bestimmt ein toller Hingucker und funktionsfähig ist.

    Lg Alisa

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